Wir unterstützen den Aufruf des Flüchtlingsrats Niedersachsen „Menschenrechte wählen“ und teilen ihn hier in voller Länge (hier zum Download als PDF-Datei):
Anfang 2025 hat die CDU-Fraktion unter Friedrich Merz zwei Anträge in den Bundestag eingebracht, die rechtswidrige und menschenfeindliche Regelungen beinhalten: Dazu gehörte die Zurückweisung schutzsuchender Menschen an den Grenzen und ein Gesetz, das hier lebenden, rechtlich geschützten Geflüchteten die Möglichkeit nimmt, Ehepartner/-in und Kinder auf legalem Weg nachzuholen. Dass die CDU, um die Abstimmungen zu gewinnen, die Unterstützung der Rechtsextremen einkalkulierte, hat zu Recht großes Entsetzen ausgelöst.
Der Inhalt der angestrebten Regelungen wird dagegen kaum diskutiert: Jede Härte gegen schutzsuchende Menschen scheint gerechtfertigt. Seit eineinhalb Jahren werden Geflüchtete Menschen in Politik und Medien unablässig zum gesellschaftlichen Problem Nummer eins erklärt. CDU, CSU und FDP machen sie zu Sündenböcken für eine überforderte Infrastruktur, erklären sie fälschlich und pauschal zu „Illegalen“, stellen sie permanent in den Kontext von Kriminalität und behaupten unaufhörlich, die Gesellschaft lebe in Angst und wolle eine „Migrationswende“. Auch SPD und Grüne ließen sich in der Ampelregierung mitreißen und mühten sich, an den Grenzen, in der Sozialpolitik und bei Abschiebungen Härte zu zeigen.
Die schrecklichen Gewalttaten von Magdeburg oder Aschaffenburg treffen auf eine verunsicherte Gesellschaft, die keine differenzierte Auseinandersetzung mehr führt. Viele wollen kein anderes und kein größeres Problem als die Migration selbst sehen. Darin besteht schon heute der Erfolg der verfassungsfeindlichen und rassistischen AfD: Jahrelanger Hass und Hetze haben ihre Wirkung entfaltet. Diffamierende Begriffe und menschenfeindliche populistische Forderungen gegen Geflüchtete und Migrant*innen haben Eingang in das Denken und Reden – und in die demokratische Politik gefunden. Es wird Zeit, das zu ändern!
Denn wir wissen alle: Deutschland ist längst ein Einwanderungsland geworden. Die große Mehrheit der Gesellschaft lehnt die menschenfeindliche und rassistische Ideologie der Rechtsextremen entschieden ab. Wir wollen ein Land in Vielfalt, gesellschaftlichem Frieden, Freiheit, Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Dafür brauchen wir dringend die Rückkehr zu einer besonnenen, seriösen Debatte.
KOMMEN ZU VIELE GEFLÜCHTETE?
- Die Zahl der Asylsuchenden sank 2024 gegenüber dem Vorjahr um 30%. Viele Aufnahmeeinrichtungen stehen aktuell leer.
- Von den Einwandernden machen Asylsuchende seit langem jährlich weniger als 20% aus.
- Um Facharbeiter*innen zu beschäftigen und Renten zu sichern, halten Wissenschaftler*innen eine Netto-Einwanderung von rund 400.000 Arbeitskräften (plus deren Familien) jährlich für notwendig.
- Für eine jahrzehntelang versäumte Wohnungsbaupolitik, fehlende Kitaplätze und vernachlässigte Infrastruktur tragen Geflüchtete keine Verantwortung.
- Deutschland muss seinen humanitären Verpflichtungen nachkommen und Schutz suchende Menschen aufnehmen. Wir haben die finanziellen Mittel dazu. Die Konkurrenz um Ressourcen und leere Kassen in den Kommunen sind ein Problem der ungleichen Verteilung von Reichtum.
BRAUCHEN WIR SCHÄRFERE GESETZE?
- Es gab viele Asylrechtsverschärfungen und Abschiebungsoffensiven in den letzten Jahrzehnten. Die Realität zeigt: Wer vor Krieg und Verfolgung fliehen muss, lässt sich davon nicht vertreiben.
- Die 2024 beschlossene Streichung von Sozialleistungen für bestimmte Geflüchtete oder die beabsichtigte Abweisung Geflüchteter an den Grenzen sind nicht nur unmenschlich. Sie brechen Verfassungsrecht, Völkerrecht und EU-Recht. Ein demokratischer Rechtsstaat tut so etwas nicht.
- Schärfere Gesetze zur Fluchtverhinderung verursachen lediglich größeres Leid: Die Schutz suchenden Menschen müssen gefährlichere Fluchtwege auf sich nehmen. Wenn sie es bis nach Europa schaffen, sollten sie menschenwürdige Lebensbedingungen vorfinden und kein rechtloses Leben unter elenden Bedingungen in Lagern.
HÄTTEN ANTI-ASYL-GESETZE DIE SCHRECKLICHEN MORDTATEN VERHINDERT?
- Jede*r fühlende Mensch empfindet Schrecken und Sorge, wenn furchtbare Gewalttaten mit willkürlich ausgewählten Opfern geschehen. Besondere Angst löst es aus, wenn wir selbst oder unsere Lieben betroffenen sein könnten.
- Für andere bringen wir nicht das gleiche Mitgefühl auf. Zehntausende Menschen auf der Flucht werden an Europas Grenzen und im Innern verjagt, gedemütigt, beschossen, verprügelt und vergewaltigt. Wir könnten täglich hinsehen, wenn Menschen ertrinken, verdursten oder erfrieren.
- Um Gewalttaten vorzubeugen, mahnen Fachverbände die Verbesserung der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung – auch – von Geflüchteten an. Tatsächlich sind die staatlichen Mittel für die psychosoziale Versorgung Geflüchteter gerade gekürzt worden.
- Keine Tat wird dadurch verhindert, dass man Zehntausende Unschuldige unter Pauschalverdacht stellt, ihre Sozialleistungen streicht und ein familiäres Zusammenleben verhindert.
WORÜBER WIRD EIGENTLICH NICHT MEHR GESPROCHEN?
- Das Thema Klimaschutz spielt im Bundestagswahlkampf nahezu keine Rolle – warum eigentlich?
- Die Klimaziele werden von vielen gesellschaftlichen Kräften nicht ernst genug genommen, um sie gemeinsam zu erreichen. Bleiben wir weiter untätig, werden extreme Klimabedingungen wie Hitzezonen oder versinkende Staaten weltweit zu Millionen weiteren Flüchtlingen führen.
- Andere im Wahlkampf kaum beachtete Themen sind etwa die fortschreitende Ungleichheit, die Zunahme von Armut, eine unterfinanzierte Demokratieförderung oder die Bildungsmisere. So zu tun, als sei alles eine Frage der Migrationspolitik, lässt die Missstände weiter wachsen.
NIE WIEDER. DAS ASYLRECHT IST UNSERE HISTORISCHE VERANTWORTUNG
- Während des Nationalsozialismus schlossen viele Staaten die Grenzen für geflüchtete Juden und andere Verfolgte des NS-Regimes und überließen sie schutzlos ihrem Schicksal. Weil die Staaten versagt hatten, wurde das Asylrecht als verbindliches Völkerrecht geschaffen.
- Auf der historischen Verantwortung für das Leid von Millionen Menschen fußt auch das deutsche Asylrecht. Die ungeschriebene Botschaft des Grundgesetzes lautet: Nie wieder!
Wenn wir das Asylrecht verteidigen, verteidigen wir uns selbst: Für die Würde eines jeden Menschen. Für eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Für Rechtsstaat und Demokratie.