Über 7500 km zu Fuß war Makela Desta aus Eritrea unterwegs, um schließlich in Deutschland Zuflucht zu finden und nach drei Jahren noch immer nicht zu wissen, ob er bleiben darf. Rakan Ali aus Syrien vermisst das Schauspielern, was er hier in Deutschland nicht kann, weil er die Sprache noch weiter lernen muss. Fatima kam aus dem Irak, will Krankenschwester werden und hält trotz erschütternder Erlebnisse an ihrer Lebensfreude fest.
Die Eindrücke, die den insgesamt 46 teilnehmenden Austauschschüler_innen aus Oldenburg und Quimperlé (Frankreich) bleiben, sind sicher unterschiedlich ausgefallen. Gemeinsam ist ihnen in jedem Fall aber die Erfahrung, mit geflüchteten Menschen, die jetzt in Oldenburg wohnen, intensiv ins Gespräch gekommen zu sein. Im Rahmen dieses Austauschs zwischen dem NGO (Neues Gymnasium Oldenburg) und dem Lycée Kerneuzec in der Bretagne hatten sich die Schüler_innen mit der Willkommenskultur beschäftigt. Neben einem Besuch im Auswandererhaus in Bremerhaven und der Besichtigung des Museumsdorfes in Cloppenburg stand ein Interview im Mittelpunkt, das mit Klient_innen von IBIS e.V. geführt werden durfte. Mit der Präsentation der Porträts dieser zwölf Interviewten wurde am Donnerstag (12.04.2018) der erste Teil des Austauschs abgeschlossen, da die Schüler_innen im Anschluss aus Frankreich wieder Richtung Heimat fuhren.
Ilyas Yanc, Flüchtlingsberater bei IBIS e.V., erläuterte in seiner Rede bei der Abschlusspräsentation, wie wichtig es für die Menschen einer Stadt sei, immer wieder ins Gespräch zu kommen, um Vorurteile abzubauen und gemeinsam in einer Stadt leben zu können. Michael Schröder als Vertreter der Schulleitung bestätigte diese Intention besonders unter Bezugnahme auf die Sprachlernklasse, die im letzten Schuljahr Schüler_innen aus verschiedenen Herkunftsländern aufgenommen hatte, und die nun bereits in den Regelklassen mitlernen. Immer wieder müssten Möglichkeiten der Sensibilisierung geschaffen werden, so Ilyas Yanc.
Dass dies während der Austauschwoche vom 4. bis 12. April gelungen ist, kann man an den Porträts erkennen, die auf Grundlage der Interviews entstanden und weiterhin auf der Homepage des NGO zu sehen sind. Ein Aspekt, der auf einige Schüler_innen besonderen Eindruck machte: Die Toleranz gegenüber anderer Religionen, obwohl man aus einem Land kommt, in dem Religion für die Menschen so zentral ist. Da scheint es fast, als hätte der Syrer Mohammed Daowd Lessings „Nathan der Weise“ gemeinsam mit den Austauschschüler_innen gesehen und den passenden Workshop zur Toleranz zwischen den Religionen mitgemacht.
Die Austauschteilnehmer_innen hatten während der Woche selbst einige Integrationsarbeit zu leisten. Sei es die Anpassung an Kultur, Essen und Sprache, vor allem in den Familien, sei es von beiden Seiten immer wieder die große Herausforderung der Kommunikation. Dass hierbei die gesprochene Sprache nicht unbedingt das Wichtigste für gegenseitiges Verstehen (und Verständnis) ist, dafür sei diese Gruppe ein besonderes Beispiel, so Stefanie Vogel (Organisatorin des Austauschs am NGO). Denn nicht einmal die Hälfte der deutschen Teilnehmer_innen lernt Französisch in der Schule. „Es war interessant, die deutsche und französische Kultur zu vergleichen. Wir haben uns in kurzer Zeit angefreundet und hatten viel Spaß zusammen, daher fiel auch der Abschied schwer“, so zwei Schülerinnen des NGO.
Der Vergleich der (Willkommens)-Kulturen wird aber weitergehen, denn im September fahren die 23 Schülerinnen des NGO nach Quimperlé, wo neben verschiedenen Programmpunkten auch ein ähnliches Interviewprojekt mit Geflüchteten auf französischer Seite stattfinden soll.
Die Ausstellung der bisher entstandenen Porträts wird am 9. Mai 2018 zum Tag der offenen Tür bei IBIS e.V. zu sehen sein. Zwischen 15 und 18 Uhr ist die Ausstellung in der IBIS-Halle frei zugänglich.