“Nein” zur diskriminierenden Bezahlkarte für Geflüchtete Die Landesregierung muss ihr Versprechen nach Gleichbehandlung aller Menschen in Niedersachsen umsetzen! Die Bezahlkarte ist populistische Symbolpolitik Bereits im November hatten sich alle Bundesländer und die Bundesregierung darauf verständigt, für Menschen im Asylverfahren oder mit Duldung, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, bundesweit eine Debit-Karte einzuführen, die Beschränkungen im Zahlungsverkehr und bei der Verfügbarkeit von Bargeld ermöglichen soll.
Am 26. April hat der Bundestag nun die Einführung einer sog. Bezahlkarte für Geflüchtete beschlossen. Damit ist ein Diskriminierungsinstrument auf den Weg gebracht, das schutzsuchende Menschen davon abhalten soll, nach Deutschland zu kommen. Der Beschluss, eine Bezahlkarte einzuführen, folgt auf eine massive Kampagne gegen Geflüchtete, die den Eindruck vermittelt, die Menschen würden allein deshalb nach Deutschland kommen, um hier von Sozialleistungen zu leben.
Wissenschaftliche Studien zeigen jedoch, dass die Hoffnung auf Rechtsstaatlichkeit, einen Arbeitsplatz und das Vorhandensein von Familie und Freund:innen entscheidend dafür sind, welches Land Menschen zu erreichen versuchen. Wer vor Krieg und Gewalt flieht, wird sich nicht davon abhalten lassen, weil es in Deutschland eine Bezahlkarte gibt. Die Bezahlkarte wird ihren vorgegebenen Zweck nicht erreichen, Geflüchtete jedoch in essenziellen Lebensbereichen diskriminieren. Sie ist Ausdruck einer populistischen Symbolpolitik, die Schutzsuchende weiter ausgrenzt, diskriminiert und kontrolliert. Kein Existenzminimum für Geflüchtete Mit einer Bezahlkarte werden die sozialen Rechte Geflüchteter weiter eingeschränkt. Das grundgesetzlich garantierte Existenzminimum wird damit weiter unterschritten. Schon jetzt liegen die Leistungen für Geflüchtete in den ersten drei Jahren ihres Aufenthalts um fast 20% unter dem Bürgergeld, welches die verfassungsrechtlich garantierte Untergrenze des Existenzminimum markiert. Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht schon 2012 geurteilt, dass das Existenzminimum “migrationspolitisch nicht zu relativieren” sei – ein Leitsatz, den die Politik seither geflissentlich ignoriert. In ihrem Koalitionsvertrag hatte die Ampel-Regierung noch angekündigt, dass sie “das Asylbewerberleistungsgesetz im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weiterentwickeln” werde. Anders als bei der “Schuldenbremse” scheint die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht zum Asylbewerberleistungsgesetz und damit auch die Einhaltung des Grundgesetzes aber niemanden mehr zu interessieren. Was sehen die Gesetzesänderungen und die Bezahlkarte konkret vor? Zukünftig bekommen Menschen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, grundsätzlich – also auch wenn sie nicht mehr in einer Erstaufnahmeeinrichtung leben müssen – vorrangig Sachleistungen statt Bargeld. Die Leistungen sollen auf eine Bezahlkarte gebucht werden.
Die Bezahlkarte ist eine Guthabenkarte ohne Kontobindung. Überweisungen und Lastschriften können eingeschränkt oder gar vollkommen ausgeschlossen werden. Und nach Vorstellung der Bundesländer und der Bundesregierung sollen die Menschen nur einen kleinen Betrag (einigen Bundesländern schwebt ein Betrag in Höhe von 50€/Monat pro Erwachsenem und in Höhe von 10€/pro Kind vor) in bar abheben können. Aber die Bezahlkarte funktioniert nur in Geschäften mit dafür ausgestatteten Lesegeräten, z.B. für Mastercard oder VISA. Vielerorts kann man sie nicht einsetzen, etwa auf Flohmärkten, beim Gemeindefest oder in der Schulcaféteria. Händler:innengruppen, die Geldtransfers ins Ausland anbieten, sind ebenfalls ausgeschlossen. Für die Menschen bedeutet dies, alltäglich Diskriminierung und Stigmatisierung zu erleben! Eine Einschränkung von Überweisungen führt zu gesellschaftlichem Ausschluss von Geflüchteten: Die Mitgliedschaft in Sport- und gemeinnützigen Vereinen, der Kauf eines Deutschlandtickets, der günstige Einkauf im Internet, sogar der Handyvertrag – all dies wird erschwert oder gar verhindert. Der Ausschluss jeglicher Überweisungsmöglichkeit läuft überdies auf eine erhebliche Behinderung, wenn nicht Verhinderung einer Rechtsvertretung hinaus: Oft gibt es am Wohnort keine spezialisierten Asylanwält:innen, deshalb greifen Geflüchtete auf Kanzleien zurück, die weiter entfernt sind. Ohne Überweisungsmöglichkeit müssten sie dort jeden Monat persönlich erscheinen, um die vereinbarten monatlichen Raten per Bezahlkarte zu zahlen, und die Kanzleien müssen mit entsprechenden Kartenlesegeräten ausgestattet sein. Es besteht die Möglichkeit, die Bezahlkarte regional einzuschränken, so dass sie beispielsweise nur in dem Postleitzahlengebiet funktioniert, in dem man wohnt. Dies würde eine faktische Mobilitätseinschränkung mit sich bringen. Gesundheitskarte statt diskriminierender Bezahlkarte! Eine Bezahlkarte kann sinnvoll sein, wenn sie – wie in Hannover – diskriminierungsfrei umgesetzt wird.
Die Ausgabe einer “Social Card” u.a. auch an Geflüchtete, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, bietet Möglichkeiten der Digitalisierung und Vereinfachung von Verwaltungsprozessen, ohne dass der Zahlungsverkehr und die Verfügbarkeit von Bargeld in irgendeiner Weise eingeschränkt wird. Die hannoversche “Social Card” gerät nun aber in Gefahr, wenn die Landesregierung ihre Pläne umsetzen sollte, nach denen allen Kommunen vorgegeben werden soll, Bargeldauszahlungen zu beschränken und Überweisungen zu verbieten. Die Einführung einer Bezahlkarte soll einer kritischen Öffentlichkeit mit dem Argument schmackhaft gemacht werden, dass sie zu einer Entbürokratisierung und der Erleichterung von Verwaltungsabläufen führen würde. Sofern in Niedersachsen dann die genannten Restriktionen – Beschränkung von Bargeldauszahlungen und Überweisungen – für die es dann “Ausnahmen” geben soll, eingeführt werden sollten, ist damit aber kaum zu rechnen. Das Argument erscheint auch alles andere als glaubwürdig, wenn die Landesregierung auf der anderen Seite weiterhin daran festhält, keine elektronische Gesundheitskarte für Geflüchtete einzuführen. Eine solche Karte würde tatsächlich den Verwaltungsaufwand verringern und zudem den Geflüchteten mühselige Gänge zum Sozialamt ersparen, wo sie sich einen sog. Behandlungsschein ausstellen lassen müssen.
Die Bezahlkarte ist Teil eines Angriffs auf die Rechte Schutz suchender Menschen Die Einführung einer restriktiven Bezahlkarte ist Teil eines großen Angriffs auf die Rechte Schutz suchender Menschen. Der Abbau der sozialen Rechte Geflüchteter passt sich ein in den Ausbau der Festung Europa und die Bestrebungen, sich der Verantwortung für den Flüchtlingsschutz und den Verpflichtungen nicht zuletzt in Form der Genfer Flüchtlingskonvention nach und nach zu entledigen. Der extremen Rechten ist es gelungen, einen bestimmenden Diskurs zu entwickeln, der Schutz suchende Menschen nur mehr als Bedrohung betrachtet. Dieses rassistische Narrativ greifen leider immer mehr Parteien auf. Sie treiben damit Entsolidarisierungsprozesse voran und helfen unfreiwillig, den gesellschaftlichen Diskurs immer weiter nach rechts zu verschieben. Die Landesregierung muss ihr Versprechen halten! Die rot-grüne Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, „Rassismus mit aller Kraft“ zu bekämpfen, und versprochen, „dass alle ankommenden Geflüchteten in Niedersachsen gleich behandelt werden und ihnen möglichst schnell ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht wird.“
Mit der Bezahlkarte droht genau das Gegenteil: Systematische Diskriminierung und Ausgrenzung von Geflüchteten anstatt Chancengleichheit und gleichberechtigter gesellschaftlicher Teilhabe. Die Bezahlkarte als Diskriminierungsinstrument muss daher verhindert werden! Wir appellieren an die Landesregierung, sich auf ihre Versprechen zu besinnen, statt mit der Bezahlkarte ein neues Diskriminierungsinstrument zu schaffen. Wir fordern die Landesregierung und die Kommunen dazu auf, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz diskriminierungsfrei auszuzahlen! Wir fordern, Bezahlkarten nur einzuführen, wenn damit Leistungen diskriminierungsfrei und ohne jegliche Beschränkungen erbracht werden! Wir erwarten zudem, dass die Landesregierung die niedersachsenweite Einführung einer Gesundheitskarte für Geflüchtete umsetzt.
Neue Integrationskurse in Wittmund
Die IBIS-Akademie gGmbH im Landkreis Friesland hat einen neuen Kursstandort im Landkreis Wittmund eingerichtet. Ab November 2024 bieten wir auch in der Stadt Wittmund Integrationskurse an. Der nächste Kurs startet