„Meine Geschichte, deine Geschichte, unsere Geschichte“ – Theaterprojekt mit jungen Geflüchteten geht in die nächste Runde

Wer wegen Krieg oder Verfolgung fliehen musste, hat zunächst genug mit der eigenen, der persönlichen Geschichte zu tun. Wenn man dann in Sicherheit lebt und einen „normalen“ Alltag hat, kann man sich wieder für andere interessieren – für andere Personen und andere Geschichten.

Nach dem ersten Theaterstück mit geflüchteten Jugendlichen „Heimat ist kein Land“ aus 2016, hat sich nun die zweite Gruppe von Jugendlichen aus dem arabisch sprechenden Raum bei IBIS e.V. zusammengefunden, um sich gemeinsam und über das Medium „Theaterspiel“ mit anderen Biographien auseinanderzusetzen. Viele von ihnen sind im Laufe ihres Lebens aufgrund des Nahostkonfliktes mit antisemitischen Denkweisen in Kontakt gekommen. Jetzt treffen sie sich regelmäßig mit der Theaterpädagogin Dzenet Hodza, um sich bewusst mit ihrer eigenen Geschichte auseinanderzusetzen, aber auch mit jüdischen Biographien und der jüngeren deutschen Geschichte.

„Ich kann nur bestätigen, was derzeit auch in den Medien ein Thema ist: es ist so wichtig, sich mit Themen wie Antisemitismus und Shoah offen auseinanderzusetzen und eigene Vorurteile hinterfragen zu lernen“ sagt Dzenet Hodza. „Das ist natürlich ein komplexes Vorhaben und muss schrittweise und gut vorbereitet geschehen. Wir haben mehrere Workshops gemacht, in denen wir über die Biographie Anne Franks und die Judenverfolgung in Deutschland gesprochen haben. Dann sind wir im Oktober letzten Jahres nach Berlin gefahren und haben dort das Anne-Frank-Museum und die Gedenkstätte Sachsenhausen besucht. Das war für die jungen Geflüchteten extrem aufwühlend.“ „Jeder sollte Sachsenhausen besucht haben. Es ist wichtig, dass so etwas nicht vergessen wird. Ich habe all das vorher nicht gewusst, da es in meiner Schule nie thematisiert wurde.“, so einer der Teilnehmenden.

Die gemeinsame Fahrt nach Berlin hat die Gruppe zusammengeschweißt und das bisher oft nur lückenhafte Wissen über die nationalsozialistische Judenverfolgung konnte durch das Erlebnis vor Ort nochmals anders eingeordnet werden. Auf dieser Grundlage aufbauend wurde zurück in Oldenburg der Nahostkonflikt und der damit verbundene Antisemitismus in Workshops thematisiert. Die jungen Geflüchteten konnten sich diesen Themen bereits viel mehr als zu Beginn der Projektphase öffnen, und das soll jetzt auch auf der Bühne gezeigt werden. So haben die dreizehn Jugendlichen die Arbeit am Bühnenbild mit der jüdischen Bildhauerin Jael Benar abgeschlossen. Dabei wurde nicht nur an dem dadaistischen Szenenbild gearbeitet, sondern die Bildhauerin berichtete auch über das Leben in Israel. Die jungen Menschen zeigten sich interessiert an dem Lebensweg der Künstlerin und ließen sich auf die Arbeit mit ihr ein.

Aber nicht nur auf der Bühne wird gearbeitet, sondern auch neben der Bühne. Die Theaterpädagogin Dzenet Hodza feilt derzeit an den letzten Szenen für das Stück „Almishkal – ½ Erleuchtet“. Das arabische Wort „Almishkal“ bedeutet auf Deutsch „Kaleidoskop“. Das Theaterstück soll dazu anregen die vielen Details einer Geschichte genauer zu betrachten und dem Ganzen wieder einen neuen Dreh zu geben, wie bei einem Kaleidoskop. Dies gilt nicht nur für die Zuschauer_innen, sondern auch für die Jugendlichen selbst. Sie müssen sich nach ihrer Flucht in der deutschen Gesellschaft neu „zusammensetzen“ und innere Prägungen und Eindrücke verarbeiten und verstehen lernen. „Im Laufe der Arbeit mit den Jugendlichen haben ich gemerkt, dass sie trotz ähnlicher Erfahrungen mit dem Erlebtem ganz unterschiedlich, ganz individuell umgehen. Das versuche ich in dem Stück einzufangen und auf die Bühne zu bringen.“ Das Schauspiel feiert am 08. Juni in der IBIS-Halle, Klävemannstraße 14 Premiere und wird zudem während der Jugendtheatertage des Staatstheaters und an Schulen aufgeführt. Weitere Informationen zu den Auftrittsterminen folgen in Kürze.

Mehr zu dem Projekt: https://ibis-ev.de/angebote/gegen-diskriminierung-und-rechtsextremismus/

 

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