IBIS e.V. unterstützt die Erklärung gegen die diskriminierende Bezahlkarte des Bündnis „Nein zur Bezahlkarte Niedersachsen“:
In Niedersachsen wurde am 16. Dezember 2024 die diskriminierende Bezahlkarte für
Geflüchtete durch die Landesregierung eingeführt.
Damit bricht die niedersächsische Landesregierung ihr Versprechen aus dem
Koalitionsvertrag, in dem sie angekündigt hatte, „Rassismus mit aller Kraft“ zu bekämpfen,
und zusagte, „dass alle ankommenden Geflüchteten in Niedersachsen gleich behandelt
werden und ihnen möglichst schnell ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht wird.“ Die
Bezahlkarte begrenzt die Verfügbarkeit von Bargeld auf 50,- Euro pro Person im Monat.
Dadurch wird der Kauf bestimmter Waren und Dienstleistungen unmöglich, was zu einer
faktischen Absenkung der ohnehin deutlich unter dem Existenzminimum liegenden
Leistungen führt. Auch Auslandsüberweisungen sind mit der Bezahlkarte nicht möglich.
Die Bezahlkarte ist populistische Symbolpolitik
Der Beschluss, eine Bezahlkarte einzuführen, folgt auf eine massive Kampagne gegen
Geflüchtete, die den Eindruck vermittelt, die Menschen würden allein deshalb nach
Deutschland kommen, um hier von Sozialleistungen zu leben.
Alle vorgetragenen Argumente für die Einführung einer diskriminierenden Bezahlkarte sind
nur vorgeschoben: Weder gibt es wissenschaftliche Studien, die belegen, dass die
Sozialleistungen für Geflüchtete dazu führen, dass sich Schutz suchende Menschen
Deutschland als Zielstaat aussuchen, noch trifft die Behauptung zu, dass Geflüchtete in
großem Umfang Geld von ihren Sozialleistungen ins Ausland überweisen. Richtig ist
vielmehr, dass die Auslandsüberweisungen deutlich unter denen von anderen
Migrant:innen liegen, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kürzlich in
einer Studie dargelegt hat. Auch das in Niedersachsen als Hauptargument vorgebrachte
Anliegen, den Verwaltungsaufwand zu verringern, ist alles andere als überzeugend: Wie
u.a. die Verwaltung der Stadt Braunschweig zur Auskunft gab, erwartet sie erheblichen
Mehraufwand durch die diskriminierende Bezahlkarte.
Wer vor Krieg und Gewalt flieht, wird sich nicht davon abhalten lassen, weil es in
Deutschland eine Bezahlkarte gibt. Die Bezahlkarte wird ihren vorgeblichen Zweck nicht
erreichen, Geflüchtete jedoch in essenziellen Lebensbereichen diskriminieren.
Die Einführung einer restriktiven Bezahlkarte ist Teil eines großen Angriffs auf die Rechte
Schutz suchender Menschen. Der Abbau der sozialen Rechte Geflüchteter geht einher mit
dem Ausbau der Festung Europa und Bestrebungen, sich der Verantwortung für den
Flüchtlingsschutz und den Verpflichtungen nicht zuletzt in Form der Genfer
Flüchtlingskonvention nach und nach zu entledigen. Der extremen Rechten ist es
gelungen, einen bestimmenden Diskurs zu entwickeln, der Schutz suchende Menschen
nur mehr als Bedrohung betrachtet. Dieses rassistische Narrativ greifen leider auch
demokratische Parteien zunehmend auf. Sie treiben damit Entsolidarisierungsprozesse
voran und helfen unfreiwillig, den gesellschaftlichen Diskurs immer weiter nach rechts zu
verschieben.
Die Bezahlkarte ist nichts als populistische Symbolpolitik, die Rassismus bedient und die
Schutzsuchende weiter ausgrenzt, diskriminiert und kontrolliert.
Umtausch ist praktische Solidarität gegen rassistische Ausgrenzung
Zahlreiche Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen in Niedersachsen sind nicht
bereit, dies widerspruchslos hinzunehmen. Deshalb entstehen landesweit Initiativen, die
durch den solidarischen Tausch von Bezahlkarten den Zugang Geflüchteter zu Bargeld
und damit zu gesellschaftlicher Teilhabe unterstützen.
Mit dieser Erklärung unterstützen die unterzeichnenden Organisationen ausdrücklich die
Aktivitäten von Initiativen, die die Härten der diskriminierenden Bezahlkarte zum Beispiel
durch den Umtausch von Gutscheinen in Bargeld abfedern wollen. Der solidarische
Umtausch von Gutscheinen ist eine Möglichkeit, um den Geflüchteten zumindest ein klein
wenig mehr Selbstbestimmung im Alltag zu ermöglichen und der faktischen
Leistungsabsenkung entgegenzuwirken. Ein solidarischer Umtausch kann helfen,
Notlagen zu überwinden, z.B. bis auf dem Rechtsweg Leistungsansprüche geklärt sind. Er
ist nicht zuletzt Ausdruck praktischer Solidarität mit Geflüchteten gegen die zunehmenden
Angriffe auf ihre Rechte.
Die unterzeichnenden Organisationen fordern die Landesregierung auf, sich auf ihre
Versprechen aus dem Koalitionsvertrag zu besinnen und „Rassismus mit aller Kraft“ zu
bekämpfen. Die diskriminierende Bezahlkarte muss zurück genommen werden!
Die oben stehende Erklärung wurde vom „Bündnis Nein zur Bezahlkarte Niedersachsen“
am 23.01.2025 verabschiedet.
Das PDF-Dokument mit allen Unterzeichner: innen kann hier nachgelesen werden.